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AutorenbildChatty Avocado

Tatsachen kennen keine Alternativen

Aktualisiert: 18. März 2021

Kellyanne Conway, die frühere Beraterin des noch amtierenden US-Präsidenten Donald Trump, prägte im Januar 2017 den Begriff der «alternativen Fakten». Coronapandemie und Präsidentschaftswahlen verhalfen diesem Unwort des Jahres 2017 heuer zu neuer Aktualität.

Gewisse Kreise bezeichneten renommierte private und öffentlich-rechtliche Medien dieses Jahr auch in der Schweiz vermehrt als «Mainstream», so zum Beispiel Philipp Gut, selbsternannter Journalist und Inhaber der Firma GUT Communications GmbH. Das Etikett wird, ähnlich der Titulierung «Gutmensch», mit unverhohlener Geringschätzung angeheftet. Es soll bedeuten: Dieses Medium ist Teil des alten Establishments, der Meinungsdiktatur. Als Gegenpol bringen sich sogenannt «alternative» Medien in Stellung, hierzulande beispielsweise «Die Weltwoche» als Print- oder «Rubikon» als Onlineerzeugnis.


An Medien wird gemeinhin die Erwartung gestellt, dass sie unvoreingenommen und sachlich informieren und so zur kritischen Meinungsbildung beitragen. Wobei Sachlichkeit eine Unvoreingenommenheit im Grunde bereits voraussetzt, denn sachlich kann eine Berichterstattung nur dann sein, wenn sie auch wahr ist. Wahrheit (im Sinne von Tatsachentreue) ist in einer aufgeklärten Gesellschaft jedoch nicht verhandelbar, sie ist ein universelles moralisches Gebot, dem sich auch und gerade Medienschaffende konsequent zu unterwerfen haben.


Alternative Fakten sind schlechthin keine Fakten. Sie sind bestenfalls unbelegte Aussagen, oftmals aber reinste Unwahrheiten. Wenn Medien nun aber ihrer gesellschaftlichen Rolle gerecht werden wollen, haben sie ausnahmslos faktenbasiert zu berichten. Denn eine Abkehr von Sachlichkeit ist gleichzeitig eine Abkehr von Neutralität und mithin ein Verrat nicht nur an journalistischen Grundsätzen, sondern nachgerade am Fundament eines ehrlichen und aufrichtigen Miteinanders. Medien, die sich auf diesen amoralischen Pfad begeben, verkommen zu Propagandawerkzeugen.


In zahlreichen Alternativmedien werden u.a. die Coronapandemie oder auch der Klimawandel im Widerspruch zu den vorherrschenden wissenschaftlichen Erkenntnissen verharmlost, bisweilen sogar gänzlich in Abrede gestellt. Sendungen der US-Fernsehkanäle "Fox News" oder "One America News Network" verbreiten und bekräftigen die von Donald Trump ohne Beweis vorgebrachten Behauptungen, die US-Präsidentschaftswahl 2020 sei nur aufgrund eines konzertierten, massiven Wahlbetrugs zu Gunsten seines Kontrahenten Joe Biden ausgegangen. Mit derartiger Berichterstattung wird nichts weniger als eine Umdeutung der Wahrheit beabsichtigt: Behauptungen werden zu Tatsachen erhoben, Partikularmeinungen gegenüber wissenschaftlichen Konsensen bevorzugt und teilweise sogar klare Lügen eingestreut. Zumeist deutlich erkennbares Ziel solch absichtlicher und gezielter Desinformation ist Vorteilsnahme in Form von Macht oder Geld.


Seriöse Berichterstattung stellt einen Sachverhalt umfassend dar und gibt dazu auch abweichenden Meinungen den ihnen gebührenden Raum. Unseriöse Berichterstattung hingegen schneidet sich das je weltanschaulich oder zweckdienlich passende Stück aus dem Sachverhaltskuchen und behandelt den Rest bestenfalls stiefmütterlich. Garniert wird mit unbelegten Aussagen und/oder Unwahrheiten. Diese letztere Vorgehensweise ist, sachlich und unvoreingenommen betrachtet, leider nur allzu häufig bei den Alternativmedien zu beobachten, insbesondere bei solchen mit ausgeprägt ideologischer Ausrichtung. Also fällt der Vorwurf der Meinungsdiktatur letztlich auf die Vorwerfenden zurück, denn hier wird nicht Meinungsbildung befördert, sondern schlicht und ergreifend manipuliert.

 

Diesen Beitrag verfasste "yours truly" als erste Aufgabe im Rahmen seiner Journalismus-Weiterbildung. Die Aufgabenstellung war zwar eigentlich eine etwas andere, der Dozent nahm es aber sehr locker und gab verdankenswerterweise auch noch einige wertvolle stilistische Tipps. Merci tuusig, Rolf!

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