Heiter weiter im SVP-Parteiprogrammtext. Dieser zweite Teil der Beitragsreihe ist Finanzthemen, der Frage des Privateigentums, "law and order" und insbesondere einem starken Zugpferd der Partei, der Ausländer- und Asylpolitik, gewidmet. Auf geht's!
Bild: Pixabay.com (jmexclusives)
Finanzen, Steuern und Abgaben
Laut der SVP wächst der Staat quasi unaufhaltsam, seine Ausgaben nehmen immer mehr zu, geradezu explosionsartig. Mangels politischer Bereitschaft, diese Ausgaben zu senken, würden Steuern, Abgaben und Gebühren zu Lasten des Mittelstandes erhöht. Die Bundesfinanzen befänden sich trotz positiver Abschlüsse in einer schlechten Verfassung. Gefordert wird daher:
"Mehr dem Mittelstand, weniger dem Staat"
Die Partei bemängelt die ungleiche Behandlung der Ausgabenbereiche. So werde bei Landwirtschaft und Armee seit Jahren gespart, während sich andere Bereiche wie soziale Wohlfahrt im ungebremsten Wachstum befänden. Die SVP kritisiert in diesem Kapitel ferner auch, wie sich die öffentliche Hand vermittels eines veritablen "Bussenterrors" immer mehr Mittel zuschanze.
Als Lösungen für diese Missstände sieht die SVP im Wesentlichen:
Senkung der Steuern und Abgaben
Keine neuen Steuern, Abgaben und Gebühren
Kein weiterer Ausbau der sozialen Wohlfahrt
Beschränkung der Entwicklungshilfe
Beschränkung der Staatsausgaben auf die je verfügbaren Staatseinnahmen
Erhaltung des nationalen und internationalen Steuerwettbewerbs
Einführung einer Obergrenze beim nationalen Finanzausgleich (NFA)
Sofern diese Forderungen umgesetzt würden, hätten die Bürger und Unternehmen mehr freie Mittel zu ihrer Verfügung, würden darob mehr konsumieren und investieren, was Wachstum und Wohlstand bringe. Im Steuerwettbewerb sieht die SVP das Patentrezept, um den Staat an der kurzen Leine zu halten, weil dadurch die Behörden gezwungen würden, Steuerpolitik im Bürgerinteresse zu betreiben.
Kommentar: Auch in diesem Kapitel wird die SVP nicht müde, Angst zu schüren und den schwarzen Peter zuzuweisen. Zwischen den Zeilen wird suggeriert, wie die Schweiz quasi unaufhaltsam den Staatsbankrott ansteuere, woran Bundesrat und Behörden schuld seien. Weil die Gesamtthematik von Volkswirtschaft und Staatsfinanzen aber eher komplex ist, fügt die Partei ein Kapitel "Stopp dem Bussenterror" ein; damit kann jeder etwas anfangen, "Bussenterror" ist ein schönes Stammtischwort.
Sehen wir uns aber zunächst einmal die Fakten an. Von 1990 bis 2005 stieg die Bruttoverschuldung der Schweiz von ca. 39 Mia. auf etwas über 130 Mia. Franken an, ging dann mit dem Einsetzen der vom Volk beschlossenen Schuldenbremse aber in einen konstanten Sinkflug über. Ende 2019, vor den Effekten der Corona-Pandemie, betrug die Bruttoverschuldung noch 97 Mia. Franken.
Die Schuldenquote der Schweiz, d.h. die Staatsverschuldung in Prozenten des Bruttoinlandprodukts (BIP), lag Ende 2019 bei ca. 25%. Im Euroraum beträgt die Schuldenquote etwa 85%, in anderen Volkswirtschaften wie den USA bei ca. 125% und in Japan gar bei über 250%. Kurzum: Die Finanzen der Schweiz sind an sich und auch im internationalen Vergleich grundsolide. Die Aussage der SVP, unsere Bundesfinanzen befänden sich in einer schlechten Verfassung, wäre demnach nur dann keine Lüge, wenn man die komplette Absenz von Staatsschulden als einzig gute Verfassung bezeichnete.
Weil es aus Sicht der Bilanz also keine handfesten Argumente für die Forderungen der Partei gibt, muss die laufende Rechnung und darin das Ausgabenwachstum herhalten. Der SVP wäre es im Grundsatz lieber, wenn Privatpersonen und Unternehmen anstelle des Staats die Ausgaben tätigten, womit wir wieder beim Neoliberalismus angelangt sind, den ich bereits im ersten Beitrag unter dem Kapitel "Werkplatz Schweiz" thematisiert hatte und auf den ich hier nicht nochmals eintreten werde. Bloss noch so viel: Der Staat kann seine Ausgaben in aller Regel nur dann substanziell reduzieren, wenn er weniger Aufgaben wahrnimmt, die dann also via Marktwirtschaft privatisiert bzw. durch spendenfinanzierte Organisation erbracht bzw. anderweitig freiwillig wahrgenommen werden - oder halt ersatzlos entfallen.
Was die aktuelle Steuerbelastung betrifft: Unternehmen zahlen hierzulande ein Drittel bis maximal die Hälfte dessen, was in vergleichbaren OECD-Ländern fällig ist. Der Mehrwertsteuersatz beträgt etwa ein Drittel verglichen mit den Ländern der EU. Die Steuerbelastung natürlicher Personen liegt fast punktgenau beim OECD-Durchschnitt. Und kaum ein Land der Welt hat eine derart tiefe Fiskalquote (Anteil der Steuern und Sozialversicherungsabgaben am BIP) - trotz unserer vorbildlichen Sozialwerke. Auch jede Panikmache bezüglich einer übermässigen Steuerbelastung ist somit unbegründet.
Nun also noch zum Steuerwettbewerb. Wie unfassbar sinnentleert dieses Konzept ist, möchte ich an einer fiktiven Welt veranschaulichen, in der es genau zwei Länder gibt, die beide autark sind und bis anhin die gleichen Steuersätze hatten. In beiden Ländern arbeitet die öffentliche Hand maximal effizient. Dann findet Land A plötzlich, es wolle jetzt stärker wachsen und deshalb reduziert es seinen Steuersatz für Unternehmen und Reiche auf 25% des vorherigen Werts. Was kann nun passieren?
Land B zieht nicht nach. Konsequenz: Unternehmen und Reiche wandern ins Land A aus, wo möglicherweise alles beim Alten bleibt, aber vielleicht die Steuern für alle etwas gesenkt werden können, weil das gesamte Steueraufkommen trotz tieferen Satzes für Unternehmen und Reiche etwas steigt. Land B hat die Arschkarte, hier sinkt das gesamte Steueraufkommen wegen der Abwanderung, und entweder müssen die Steuern erhöht oder aber Staatsaufgaben reduziert werden. Allenfalls steigen die Preise im Land B wegen der ins Land A abgewanderten Firmen.
Land B zieht nach. Konsequenz: In beiden Ländern nimmt die Ungleichverteilung der Ressourcen weiter zu, da Unternehmen und Reiche dank tieferer Steuern mehr Einkommen und Vermögen akkumulieren. Beide Länder haben nun auch ein geringeres Steueraufkommen, weshalb sie die Staatsausgaben reduzieren und die staatlichen Leistungen einschränken müssen.
Land B senkt die Steuern noch stärker. Konsequenz: Ein ruinöser Steuerwettbewerb setzt ein, fachsprachlich auch als "race-to-the-bottom" bekannt, der zu einer sukzessiven Aushöhlung der öffentlichen Hand beider Länder führt, weil die Staatsaufgaben nicht mehr wie zuvor finanzierbar sind. Unternehmen und Reiche wandern mal hier- und mal dorthin, je nach dem wo gerade die Steuern tiefer sind. Die Ungleichverteilung nimmt in beiden Ländern zu, das Klima leidet.
Land B erklärt Land A den Krieg. Konsequenz: Naja, dürfte etwa klar sein...
(Hinweis: Gemäss dem neoliberalen Dogma müssten tiefere Steuern bei Unternehmen und Reichen zu mehr Wirtschaftswachstum führen, von dem letztlich alle profitieren. Dieses Märchen ist Bullshit, die "trickle-down-Theorie" ein widerlegter Irrglaube, wie ich bereits in diesem Beitrag ausführte.)
Beide Länder könnten sich zwar auf einen internationalen Finanzausgleich einigen, wonach man sich die im Wettbewerb abgejagten Steuereinnahmen gegenseitig irgendwie wieder zurückkompensiert. Aber macht das Sinn? Nö, null. Genauso wenig wie Steuerwettbewerb Sinn macht, sei es auf nationaler oder internationaler Ebene; das ist lediglich dann der Fall, wenn man die Sache mit Scheuklappen bewehrt nur aus der Optik eines einzelnen Landes betrachtet, also vollendet egoistisch. In einer Gesamtschau verlieren beim Steuerwettbewerb in aller Regel stets Viele zu Gunsten ein paar Weniger.
Das Argument der SVP, Steuerwettbewerb würde zu einem effizienter arbeitenden Staatswesen führen, klingt zwar zunächst einleuchtend, ist aber empirisch nicht erhärtet und dieses Ziel könnte durchaus auch anderweitig angestrebt werden. Die SVP selbst schlägt vor, die staatlichen Aufgaben regelmässig zu überprüfen, um Überflüssiges zu streichen und höhere Effizienz herbeizuführen.
Meine Vorstellungen von Finanz- und Steuerpolitik wären etwa diese hier:
Abschaffung des innerschweizerischen Steuerwettbewerbs durch verbindliche Mindestvorgaben an Steuersätzen für alle Gemeinden und Kantone, oder aber durch komplette Beendigung des ohnehin ineffizienten Steuerföderalismus.
Keine Obergrenzen im nationalen Finanzausgleich, damit auch in "natürlich" strukturschwachen Regionen dieselben staatlichen Leistungen angeboten werden können.
Beibehaltung und Verschärfung der Steuerprogression. Abschaffung von Sonderabkommen mit Reichen (Pauschalbesteuerung). Weitgehende Vereinfachung des Steuersystems, z.B. durch Quellensteuer auf Erwerbseinkommen auch für inländische Steuerpflichtige.
Aktive Mitarbeit in internationalen Organisationen und eigene Bestrebungen mit dem Ziel der weltweiten Austrocknung aller Steueroasen und zur Unterbindung von Kapitalflucht. Herbeiführung internationaler Mindeststandards zwecks Unterbindung oder zumindest Beschränkung des Steuerwettbewerbs. Zudem aktive Mitarbeit im Hinblick auf eine globale Mindest- und/oder Finanztransaktionssteuer insbesondere für multinational tätige Unternehmen.
Bussen dürfen weiterhin sein. Man kann sie ziemlich leicht umgehen, indem man sich einfach an die gesetzlichen Vorgaben hält.
Eigentum stärken - Freiheit erhalten
Mit "Gegen linke Umverteilung" beginnt dieses Kapitel des Parteiprogramms, und im gleichen Tonfall fährt die SVP fort:
"Wer arbeitet und selbstverantwortlich etwas Geld zur Seite gelegt hat und auch später noch etwas von seinem Ersparten haben will, hat allen Grund, die linke Politik zu bekämpfen."
Nur wenig später heisst es:
"Niemand denkt materialistischer und eigennütziger als die politische Linke, die jedes Problem mit dem Geld der Anderen lösen will."
Als Fortführung des vorherigen Kapitels werden die Regulierungsdichte und der immer grössere Staat bemängelt, dessen Tentakel in alle Privatbereiche vordrängen. Weiter wird festgestellt, man arbeite in der Schweiz während der ersten sechs Monate eines jeden Jahres ausschliesslich für den Staat. Das Eigentum der Schweizer werde zudem auch durch überbordende Auflagen und Einschränkungen bezüglich Erwerbs von Wohneigentum und im Mietrecht bedroht.
Gemäss SVP wolle die Linke den Menschen nicht nur das Eigentum wegnehmen, sondern auch ihre Privatsphäre. Dies solle mittels Abschaffung des Bankkundengeheimnisses, eines automatischen Informationsaustausches und der Einschränkung des Bargeldverkehrs erreicht werden. All dies rüttelte am Fundament einer freien und wohlhabenden Gesellschaft, denn die Geschichte habe doch gezeigt, dass ohne Eigentumsgarantie bald auch Leib und Leben der Menschen gefährdet sei.
Staatliche Umverteilung sei mit dem Ideal eines liberalen, auf Eigenverantwortung setzenden Staats unvereinbar, so die SVP weiter. Jeder Bürger wisse selbst am besten, wo und wie er sein Geld verwenden wolle. Jede weitere Unterhöhlung dieses Prinzips führe in den Sozialismus.
Kommentar: Nur schon im ersten Absatz dieses Kapitels wird die Linke an vier Textstellen angegriffen. Die SVP prügelt der Leserschaft unnachgiebig und unablässig ein, wer der Feind ist - und dieser Feind ist gemäss der Partei brandgefährlich, denn er will den Menschen in der Schweiz ihre Privatsphäre und ihr Eigentum rauben, um alles zu verstaatlichen und das Land endlich in den Sozialismus zu führen. Ein Musterbeispiel tatsachenwidriger Propaganda, Goebbels wäre sicher ganz entzückt gewesen.
Aber wenden wir uns dem Inhalt zu. Die SVP behauptet, in der Schweiz arbeite man die ersten sechs Monate des Jahres für den Staat und damit liege die Schweiz über dem Durchschnitt der OECD-Länder. Die Partei beruft sich dabei auf Zahlen des mehrheitlich von der Privatwirtschaft finanzierten Think Tanks "Avenir Suisse", der wie die SVP eine neoliberale Agenda verfolgt. Das Beratungsunternehmen Deloitte hat hingegen bloss vier Monate ausgerechnet, und auch die Grossbank Credit Suisse nahm sich der der Sache an und vermeldete als Ergebnisse eineinhalb Monate für den steuergünstigsten Kanton (Zug) und etwas über drei Monate für den teuersten (Neuenburg).
Lassen wir die krassen Unterschiede aber beiseite. Ebenso die Tatsache, dass eine Berechnung dieses "Tax Independence Day" ohnehin mit erheblichen Schwierigkeiten behaftet ist. Und auch, dass letztlich ein solcher Vergleich mit anderen Ländern nur dann zweckdienlich wäre, wenn auch die Leistungsseite mit einbezogen würde, d.h. was man als Steuer- und Gebührenzahler vom Staat zurückerhält. Schauen wir uns ungeachtet all dessen die Berechnung der SVP etwas genauer an.
Die Partei geht nicht vom arbeitsvertraglichen Bruttolohn aus, sondern rechnet zuerst noch die Beiträge des Arbeitgebers auf. Schon alleine durch diesen merkwürdigen Kunstgriff wird aus einer Abgabequote von 45% eine solche von 53%. Weshalb für die Aussage "so lange musst Du für den Staat arbeiten" auch Zahlungen berücksichtigt werden sollen, die gar nicht durch den Zahlenden zu leisten sind, bleibt das Geheimnis der SVP.
Die tatsächlich vom Steuerzahler zu löhnenden "Zwangsabgaben" sind durchs Band sehr grosszügig geschätzt und enthalten u.a. Positionen wie "Diverse Gebühren und Abgaben" (5'000.- pro Jahr) oder "Tabaksteuer" (1'600.- pro Jahr). Würde man realistischere Werte unterstellen, so wären diese für jede Position um etwa einen Viertel tiefer und aus den 45% (nicht 53%!) würde dann eine Abgabenlast von noch etwa 35%, die seltsamerweise ziemlich nahe an den Werten von Deloitte und Credit Suisse liegt.
Was im renitenten Staatsbashing der SVP keine Rolle spielt, sind die Leistungen. Wozu dienen aber die Lohnabzüge? Damit wir mit Mitte 60 in Rente gehen können. Und damit wir bei Arbeitsverhinderung infolge Unfall, Krankheit oder Invalidität abgesichert sind. Wozu zahlen wir Krankenkassenprämien? Damit wir bei jeglicher Beeinträchtigung unserer körperlichen und geistigen Gesundheit medizinische Dienste kriegen. Und wozu leisten wir Einkommens- und Vermögenssteuern (im Rechenbeispiel der SVP übrigens nicht mal 8% des Lohnes)? Unter anderem damit es ordentlich "tatü-tata" macht, wenn irgendwo die Hütte brennt, oder "tata-tatü", wenn die Gendarmen auf Räuberjagd gehen. Und damit unsere Kinder Bildung erhalten und darob nicht vollends verblöden und irgendwann Parteien wie die SVP wählen. Und damit wir für unsere betagten Mitmenschen einen angenehmen Lebensabend in Altersheimen gewährleisten können ohne sie aus Kostengründen zwangseuthanasieren zu müssen.
Worüber reden wir also? Wir reden nahezu ausnahmslos über Leistungen, in deren Genuss wir alle nötigenfalls kommen möchten. Und diese Leistungen haben nun mal ein Preisetikett. Wenn aber solchen grundlegenden, wohlberechtigten Ansprüchen wie jenen auf ein anständiges Gesundheitswesen oder eine solide Bildung die Mittel entzogen werden, dann hat der Bürger zwar mehr Geld in der Tasche, ist aber u.a. weniger gesund und schlechter gebildet. Ist das hilfreich? Nein. Fair? Keine Bohne.
Nach Auffassung der SVP sollte man solche Leistungen aber ganz oder teilweise privatisieren. Was dann passierte, kann man ganz prima an den USA ablesen: Mit Abstand teuerstes Gesundheitswesen weltweit, aber nur Rang 36 bei der mittleren Lebenserwartung - mit massiven Unterschieden zwischen Arm und Reich: Der reiche, weisse Mann hat eine Lebenserwartung von 76 Jahren, der arme Schwarze eine solche von gerade mal 58 Jahren. Kein Wunder, wenn 10 bis 15% der Bevölkerung nicht über eine Krankenversicherung verfügen und in relativer Armut leben.
Wiederum zeigt sich, für wen die SVP de facto politisiert: Nicht für den einfachen Bürger der Unter- oder Mittelschicht. Denn mit Forderungen wie Beibehaltung des Bankkundengeheimnisses, Abflachung der Progressionssätze bei der Besteuerung und allgemeiner Aushöhlung des Staates ist dem einfachen Bürger absolut gar nicht gedient, im Gegenteil sogar. Mit solcherlei Politik ist vorwiegend einer verschwindend kleinen, aber stinkreichen Elite gedient. Die dann, sofern im Ausland ansässig, ihre Privatsphäre insofern wahren kann, als sie unter dem Deckmantel des Bankkundengeheimnisses weiterhin auf Kapital- und Steuerflucht gehen darf. Immer nur her mit den Diktatorengeldern.
Meine politischen Vorstellungen hinsichtlich Eigentums und Privatsphäre wären etwa diese hier:
Lancierung einer Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Privateigentum in Bereichen, die allen Menschen als Grundrechte zustehen sollten (Luft, Wasser, Nahrung, Wohnung, Gesundheit, Bildung, Energie, Entsorgung, Sicherheit). Es wäre zu erwägen, diese Bereiche konsequent in ein Kollektiveigentum zu überführen und erst auf diesem Fundament die freie Marktwirtschaft und privates Eigentum zu verfolgen.
Keine Abflachung der Steuerprogression, sondern deren Verschärfung.
Abschaffung des Bankkundengeheimnisses.
Konsequenter Schutz der Privatsphäre, insofern dieser Schutz gesellschaftlich sinnvoll und moralisch haltbar ist. Das Bankkundengeheimnis gehört beispielsweise nicht dazu.
Ausländerpolitik
Die SVP stellt fest, dass die Schweiz für Zuwanderer ein attraktives Land und es deshalb sehr wichtig sei, auf eine Zuwanderung zu achten, die ein "gesundes Mass" nicht übersteige. Der Staat müsse klare Regeln aufstellen, wer sich unter welchen Umständen in der Schweiz aufhalten dürfe. Daher gelte:
"Wer dem Staat zur Last fällt, straffällig wird, sich stur gegen hiesige Sitten und Bräuche stellt oder radikale Tendenzen aufweist, ist auszuweisen."
Als problematisch sieht die Partei u.a., dass die Zuwanderung von Spezialisten aus Staaten ausserhalb der EU limitiert, hingegen aber die Zuwanderung aus EU-Staaten im Rahmen der Personenfreizügigkeit ohne Beschränkungen sei. Zudem wäre mittlerweile jeder vierte Einwohner der Schweiz ein Ausländer, Löhne und Bruttoinlandprodukt pro Kopf stagnierten. Die masslose Zuwanderung gefährde unsere Freiheit, Sicherheit, Vollbeschäftigung und auch das Landschaftsbild.
Nach Auffassung der SVP müsse Einwanderung strikte nach den wirtschaftlichen Bedürfnissen, im Interesse der Sicherheit und nach den verfügbaren Ressourcen der Schweiz ausgerichtet werden. Im Weiteren sollten Sozial- und Fürsorgeleistungen sowie ein Familiennachzug von der Aufenthaltsdauer und der wirtschaftlichen Selbständigkeit abhängig gemacht werden. Illegale Aufenthalter (Sans-Papiers) seien konsequent auszuweisen und die Grenzen besser zu kontrollieren.
Integration sei alleinige Aufgabe der Zuwanderer und nicht mit staatlichen Massnahmen zu fördern. Wer sich nicht integriere, solle das Land wieder verlassen. Das Schweizer Bürgerrecht dürfe nur erhalten, wer wirtschaftlich auf eigenen Beine stehe, keine Vorstrafen aufweise und eine Landessprache gut beherrsche. Ferner sei die Staatsbürgerschaft auf Probe einzuführen.
Kommentar: Auch in einem der Kernthemen der SVP müssen zuerst falsche Angaben korrigiert werden. Die Partei behauptet, das Bruttoinlandprodukt pro Kopf stagniere. Richtig ist: Der seit Jahrzehnten anhaltende Aufwärtstrend dieses Indikators ist ungebrochen. Alleine im Zeitraum von 2002 bis 2019 (also seit Einführung der Personenfreizügigkeit mit der EU) stieg das BIP pro Kopf gemäss Bundesamt für Statistik von ca. CHF 65'000 auf 85'000. Die Weltbank weist etwas andere Zahlen aus: Von ca. USD 41'000 auf 82'000. Stagnation? Fehlanzeige. Auch bei den Löhnen nicht, sagt zumindest das Bundesamt für Statistik: Der Reallohnindex 2002 betrug 103,0 Punkte, jener von 2019 bereits 114,5 Punkte, d.h. die Kaufkraft stieg in diesem Zeitraum um etwa zehn Prozent.
Aus wissenschaftlicher Sicht ist es eher schwierig, die Vor- und Nachteile von Migration exakt zu bestimmen. Die Indizienlage deutet jedoch einigermassen klar darauf hin, dass Migration wie z.B. im Rahmen der Personenfreizügigkeit mit der EU für das Zielland insgesamt vorteilhaft ist; in wirtschaftlich guten Phasen überwiegen die Vorteile deutlich, in wirtschaftlich schlechten Phase dreht die Tendenz in Richtung Nachteile. Zu diesen Schlüssen kommt u.a. das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Andere Studien räumen aber auch ein, dass eine hohe Immigration insbesondere von Menschen, die im Zielland ihre eigene Sprache weitersprechen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt mindern und nicht zuletzt die Bereitschaft, Sozialwerke aufrecht zu erhalten, reduzieren kann.
Nicht von der Hand zu weisen ist natürlich, dass das Fassungsvermögen eines jeden geographischen oder wirtschaftlichen Raumes endlich ist. Die Schweiz ist mit 206 Einwohnern pro Quadratkilometer zwar annähernd doppelt so dicht besiedelt wie Österreich, jedoch etwa gleich wie Italien, ca. 10% geringer als Deutschland und ca. 40% geringer als Japan.
Bei welcher Bevölkerungsdichte für die Schweiz das "gesunde Mass" zu kippen droht, lässt sich kaum verlässlich feststellen. Man sollte sich aber bewusst machen, dass das auch und gerade von der SVP beschworene Schreckgespenst einer 10-Millionen-Schweiz einerseits erst in etwa 25 bis 30 Jahren "buuhuu" machen wird und andererseits die Schweiz dannzumal eine ähnliche Bevölkerungsdichte wie das heutige Deutschland haben wird. Es bleibt also noch ausreichend Zeit, um sich nachhaltige Lösungen zu überlegen.
Wie für die SVP üblich, soll den Herausforderungen nicht an ihrer Wurzel begegnet, sondern sie soll mit allerlei Symptombekämpfungen irgendwie umschifft werden: Keine Integrationsförderung, Ausweisung, erschwerter Erwerb der Staatsbürgerschaft, Grenzsicherung. Kurzum soll die Oase Schweiz von der umliegenden Wüste abgeschottet werden. Und wie für die SVP üblich, werden Ängste geschürt, die von Zuwanderung und Ausländern ausgehen. In diesem Kapitel gibt sich die Partei jedoch ungewohnt zurückhaltend, als ob man sich keinesfalls eine fremdenfeindliche Blösse geben möchte.
Meine Vorstellungen von Ausländerpolitik wären etwa diese hier:
Aktive Mitarbeit in internationalen Organisationen und eigene Bestrebungen mit dem Ziel, die gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation in den Ursprungsländern zu verbessern, wodurch Migrationsanreize minimiert werden. Alles andere ist bloss Beigemüse.
Asylpolitik
Die SVP sagt der ihrer Meinung nach verfehlten Asylpolitik den Kampf an. Die Verfehlungen bestehen gemäss der Partei primär darin, dass längst nicht mehr zwischen Asylanten und Wirtschaftsmigranten unterschieden werde. Und so würden immer mehr Menschen aus ärmeren Weltgegenden den Asylweg missbrauchen, um in der Schweiz ihr Glück zu suchen.
Die "Asylindustrie" mit einer staatlichen Rundumversorgung sei gemäss SVP ein Milliardengeschäft:
"Linke Juristen, Sozialarbeiter und sonstige Profiteure dürften kaum Interesse haben, von Rekursen abzuraten oder zur raschen Heimkehr zu animieren."
Darüber hinaus würde das "Schengen/Dublin"-Abkommen nicht funktionieren, wonach die illegale Zuwanderung an den EU-Aussengrenzen abzuwehren sei, und die Kosten des Asylwesen seien in den vergangenen zehn Jahren auf Bundesebene um fast eine halbe Milliarde Franken gestiegen.
Lösungen sieht die SVP in einem Abbau der Sozial- und Nothilfe inkl. Gesundheitsleistungen für sogenannte Scheinasylanten und Wirtschaftsflüchtlinge, einer unverzüglichen Ausschaffung straffälliger Asylanten und Asylmissbraucher, systematischen Grenzkontrollen und baulichen Grenzverstärkungen, der Ausrichtung von Hilfen an Flüchtlinge in Form von Naturalien statt Geldern, der Verhinderung von Geldsendungen in die Herkunftsländer, und der Unterbringung von Asylanten in kontrollierten Zentren bei gleichzeitiger Totalüberwachung (inkl. Handydaten) zur Feststellung ihrer Herkunft.
Kommentar: Muss ich überhaupt noch erwähnen, dass die SVP auch in diesem Kapitel auf Behörden und Linke einprügelt? Oder dass der Eindruck erweckt wird, die etwas über 60'000 Menschen im Asylprozess, die ohnehin mehrheitlich keine "echten" Flüchtlinge seien, würden die Schweiz an den Rand eines systemischen Kollapses bringen?
Aber gut, im zentralen Anliegen habe ich sogar die exakt gleiche Auffassung wie die SVP: Es wäre wünschenswert, dass diese Menschen schon gar nicht erst auf die Idee kommen, ihre Heimat zu verlassen. Anders als die SVP sähe ich jedoch eine Wurzelbehandlung als dauerhafte Lösung. Ist man ein Schelm, wenn man denkt, die Partei sei ohnehin nicht an einer solchen nachhaltigen Lösung interessiert, weil sie damit eines ihrer schlagkräftigsten Wahlkampfthemen verlöre?
Was sind denn nun eigentlich die Wurzeln, die Ursachen der Migration? Was treibt Menschen an, sich kriminellen Schleppern anzuvertrauen und/oder in Seelenverkäufern waghalsig übers Mittelmeer zu schippern? Ja, SVP, in den meisten Fällen sind diese Menschen nicht unmittelbar an Leib und Leben bedroht, aber sie müssen oft in ihren Herkunftsländern ein unwürdiges Leben bei Mangelernährung und in Armut führen. Kein Wunder eigentlich, dass es sie in den Norden zieht.
Und weshalb ist das so, weswegen ist der globale Süden arm? Wieso leidet ein Drittel der Menschheit an Hunger und Unterernährung? Warum leben etwa 60% aller Menschen bei vier oder noch weniger US-Dollar pro Tag in bitterster Armut? Weshalb sind heute 75% der Armen in rohstoffreichen Ländern beheimatet? Und "why the fuck" hat die Zahl der Armen seit 1981 um etwa eine Milliarde zugenommen?
Die Ursachen der Armut des globalen Südens sind, kurzgefasst, Ausbeutung und Unterdrückung. Etwas ausschweifender erzählt: Zu Beginn des Kolonialismus war der Lebensstandard im globalen Süden etwa gleich hoch, wenn nicht gar höher als im Norden. Als dann Kolumbus 1492 in "Westindien" anlandete, nahm ein mörderischer, fast fünf Jahrhunderte überdauernder Raubzug seinen Anfang: Rohstoffe in die Heimat, Sklaven in die Kolonien - und irgendwann durften die Kolonien auch noch als Absatzmärkte dienen und die im Norden aus ihren Rohstoffen gefertigten Produkte kaufen.
Der Zoff des globalen Nordens um die Vormachtstellung in Afrika mündete in den ersten Weltkrieg. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden die Kolonien dann in die Unabhängigkeit entlassen; nicht etwa, weil man plötzlich zur Moral gefunden hätte, sondern weil die ehemaligen Kolonialmächte dermassen vom Krieg gebeutelt waren, dass sie sich die Restauration kolonialer Herrschaft nicht mehr leisten konnten.
Als die Ära des Kolonialismus ungefähr zur Mitte des 20. Jahrhunderts endete, betrug das BIP pro Kopf reicher Länder etwa das 32-Fache desjenigen armer Länder, d.h. es ging von vermutlich 1:1 zu Beginn der Kolonialisierung innert gut 450 Jahren auf 32:1 hoch. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts, als wir uns alle wegen dem drohenden Millenium-Bug ins Hemd machten, hatten sich die reichen Länder weiter abgesetzt, und zwar massiv: Ihr BIP pro Kopf betrug nun bereits das 134-Fache desjenigen armer Länder. Was war da in diesen nicht mal fünfzig Jahren passiert?
Die in die Unabhängigkeit entlassenen ehemaligen Kolonien hatten ihre Staatswesen ab Mitte des 20. Jahrhunderts äusserst erfolgreich aufgebaut, nicht zuletzt dank protektionistischer Massnahmen waren gut funktionierende soziale Marktwirtschaften entstanden, teilweise hatte man Industrien und Rohstoffe verstaatlicht. Zur Finanzierung ihres gesellschaftlichen Gedeihens liehen sich die Länder des globalen Südens bei internationalen Gläubigern hohe Summen, die wegen der immensen Wachstumsraten äusserst grosszügig gewährt worden waren. Der Süden holte also mit Tempo auf und wurde zu einer ernsthaften Konkurrenz, was insbesondere Europa und die USA mit allerlei Interventionen zu verhindern suchten (Kriege, Attentate, Staatsstreiche, Finanzierung und Aufrüstung usw.).
Die "Erlösung" für den Norden kam mit der Ölpreiskrise ab den 1970ern: Die Preise des begehrten Rohstoffs schnellten hoch, wodurch die ebenfalls davon abhängigen Entwicklungsländer in existenzielle Liquiditätsengpässe gerieten. Erdölfördernde Länder erlebten hingegen eine Geldschwemme, legten die Mittel bei internationalen Banken an, welche ihrerseits wiederum Kredite an Entwicklungsländer vergaben, deren Schulden- und Zinslast quasi ausweglos weiter anstieg.
Aus der weltweiten Ölpreiskrise wurde in den 1980ern eine Schuldenkrise des globalen Südens, und zur "Lösung" des Schuldenproblems auferlegten die vom Norden dominierten globalen Organisationen (IWF und Weltbank) den Entwicklungsländern Strukturanpassungsprogramme. Damit sagte fortan wieder der Norden dem Süden, wie der Hase läuft. Und es lief konsequent neoliberal: Privatisierung, Deregulierung, Abbau von Handelshemmnissen. Der freie Markt sollte es richten.
Der freie Markt richtete in den Entwicklungsländern aber genau eines: Unermessliches Leid an. Die Strukturanpassungsprogramme waren und sind nichts anderes als die Fortführung des Kolonialismus mit wirtschaftlichen Mitteln. So dürfen die Länder des globalen Südens z.B. ihre Landwirtschaften nicht mehr mit Subventionen schützen, was der Norden aber natürlich ungehemmt weiter tut, weil seine Agrarindustrie ansonsten nicht mithalten könnte. Und wegen der oktroyierten Privatisierungen und Deregulierungen reissen sich Konzerne des Nordens die Rohstoffe des Südens unter den Nagel, verschandeln dort ungestraft die Umwelt und beuten Billigstlöhner aus.
Aufgrund dieser und anderer Strukturanpassungen fliessen deutlich mehr Gelder vom Süden in den Norden als umgekehrt, d.h. es wird von Arm nach Reich transferiert. Seit 1980 bezahlte der globale Süden unfassbare 4,2 Billionen US-Dollar alleine an Zinsen. Für jeden Dollar Entwicklungshilfe, den der globale Süden heute erhält, fliessen 24 Profitdollar an den Norden zurück. Kurzum: Auch heute noch wird unterdrückt und ausgebeutet, was das Zeug hält, und die Unterdrückung und Ausbeutungen wird mit Entwicklungshilfe vernebelt, als ob der globale Norden der Wohltäter des Südens wäre.
Was lernen wir daraus? Dass es nicht das geringste Wunder ist, wenn Menschen des Südens ihr Leben riskieren, um in den Norden flüchten. Und dass das unsäglich unmoralische Verhalten des Nordens der eigentliche Grund für die Flucht ist, weil dieses Verhalten die Kluft zwischen Arm und Reich nicht nur erhält, sondern sogar noch ausweitet. Parteien wie die SVP sind hier im doppelten Sinne widerlich, denn erstens wollen sie mit ihrer Politik diese Situation konservieren bzw. ausbauen, und zweitens wollen sie auch noch die Entwicklungshilfe kappen. Der Süden darf also kläglich verrecken, während wir in der Schweiz es gemütlich und schön haben. Von unserem Kuchen kriegt niemand etwas ab, und wir tragen gleichzeitig Sorge, dass sich die anderen keinen eigenen Kuchen backen können.
Meine Vorstellungen zur Asylpolitik wären etwa diese hier (ich wiederhole mich im ersten Punkt):
Aktive Mitarbeit in internationalen Organisationen und eigene Bestrebungen mit dem Ziel, die gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation in den Ursprungsländern zu verbessern, wodurch Migrationsanreize minimiert werden. Alles andere ist bloss Beigemüse. Was heisst das konkret?
Sofortige Einstellung aller Strukturanpassungsprogramme.
Sofortige Einstellung aller Interventionen in fremden Staaten.
Demokratisierung von IWF, Weltbank und Welthandelsorganisation zwecks Gleichberechtigung der Länder des globalen Südens und damit diese Länder ihre Volkswirtschaften zunächst auch mit protektionistischen Massnahmen auf Vordermann bringen können.
Vollständiger Schuldenerlass für den globalen Süden.
Sicherheit, Recht und Ordnung
Laut SVP ist die Schweiz für professionelle Banden das Zielland Nummer eins in Europa. Unser Land zähle heute in Europa zu den Staaten mit hoher Kriminalität, nachdem es einst zu den sichersten Ländern der Welt gehörte. Die Ursachen dafür sieht die Partei hier:
Keine Ausschaffung krimineller Ausländer
Zu milde Strafen, auch im Jugendstrafrecht
Lasche oder inexistente Grenzkontrollen
Nach Auffassung der SVP müsse im Strafrecht auf das Opfer und dessen Interessen fokussiert werden, nicht auf die Täterschaft. Es sei wegzukommen von therapielastigem Vollzug, stattdessen sei hart zu sanktionieren, und Haft dürfe nicht zum "Wellnessaufenthalt" verkommen.
Kommentar: Bedauerlicherweise ist auch in diesem Kapitel ein Faktencheck mit Korrigenda erforderlich. Wenn man den "Global Peace Index" als Messlatte nimmt, dann ist die Schweiz seit jeher und nach wie vor eines der sichersten Länder der Welt, sie gehört zu den Top 5 in Europa und zu den Top 10 weltweit. Auch europäische Statistiken untermauern dieses Rangfolge, zudem sind die Straftaten in der Schweiz gemäss Bundesamt für Statistik seit Jahren rückläufig. Die Drohkulisse der SVP entbehrt somit jeder faktischen Grundlage, kurzum: Die Partei lügt wie gedruckt.
Inwiefern eine knallharte "law and order"-Politik die Sicherheit eines Landes verbessert, lässt sich an den USA unter Donald Trump ablesen: Schon vor seiner Amtszeit mit einem Rang um die 100 im "Global Peace Index" nicht gerade berauschend eingestuft, verlor das Land bis 2020 fast 25 Ränge. Mit fünf Tötungsdelikten pro 100'000 Einwohner haben die USA zudem die zehnfache Rate der Schweiz - trotz unbarmherziger Sanktionen wie der in diversen Bundesstaaten noch möglichen Todesstrafe.
Auch in diesem Themenkreis scheitert die SVP hochkant, mit ihrer erbärmlichen Politik auch nur einen Hauch zu einer nachhaltigen Problemlösung beizutragen. Sie bildet sich ein und verspricht ihren Wählern, mit Ausschaffungen, harten Strafen und Grenzkontrollen könne der (ohnehin in keiner Weise gravierenden) Kriminalität Einhalt geboten werden. Erneut wird mit populistischen Forderungen an der Realität vorbeipolitisiert, denn in der Kriminologie hat sich längst - durch entsprechende internationale Studien untermauert - die Überzeugung durchgesetzt, dass harte Strafen bei Weitem nicht das wirksamste Mittel sind, um der Kriminalität vorzubeugen.
Vielmehr sind Präventionsmassnahmen u.a. in problembehafteten Familien und in Schulen nicht nur deutlich wirksamer, sondern langfristig auch deutlich kostengünstiger. Der deutsche Rechtsforscher Franz von Liszt wusste schon anfangs des 20. Jahrhunderts: "Eine gute Sozialpolitik ist die beste Kriminalpolitik." Aber "sozial" ist ja gleich "links" und "links" ist gleich "bäh" für die SVP, von Fakten scheint sich die Partei längst verabschiedet zu haben; Meinung und Bauchgefühl gehen vor, solange man nur damit auf Stimmenfang gehen kann.
Meine Vorstellungen von Kriminalpolitik wären etwa diese hier:
Massnahmen zur primären Prävention: Information, Schulung usw.
Massnahmen zur sekundären Prävention: Verkleinerung der Schere zwischen Arm und Reich - in der Schweiz und weltweit, siehe Ausländer- und Asylpolitik.
Harte Strafen bis hin zu lebenslanger Verwahrung nur für schwerste Gewaltstraftaten wie Mord, Vergewaltigung und Kindesmissbrauch. Idee: Gewisse Taten sind dermassen unmoralisch, dass dadurch das Recht auf gesellschaftliche Teilhabe dauerhaft verwirkt wird.
Für mittelschwere bis leichte Straftaten: Intensivierung der Resozialisierungsbestrebungen, damit aus der Haft entlassene Personen möglichst rasch und dauerhaft wieder in der Gesellschaft Fuss fassen können. Ansonsten hat der Strafvollzug seine Ziele verfehlt.
Zum dritten und letzten Teil dieser Beitragsreihe geht's hier.
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