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Ethik: Grundlagen

Aktualisiert: 1. Juni 2021

Die Ethik und ihre Teilbereiche werden erläutert: Metaethik, normative und angewandte Ethik. Im Weiteren geht es um verschiedene Formen von Aussagen und den naturalistischen Fehlschluss. Zuletzt wird auf die Technik wissenschaftlichen Arbeitens in der Ethik eingetreten.

Bild: Pixabay.com (Peggy_Marco)





Was ist Ethik?

Ethik ist jene philosophische Theorie, die sich mit der Moral beschäftigt. Ethische Aussagen wollen Handlungen (konkret ausgeführte Taten, z.B. Verhängung einer Maskenpflicht) und Handlungsweisen (Vorgehensart, in der sich Handlungen konkretisieren, z.B. Eindämmungsstrategie) etwa in "moralisch richtig" und "moralisch falsch" klassifizieren und daraus ein Regelwerk an Normen ableiten.


Moralische Normen sind eine Teilmenge sittlicher Normen. Nicht jede Norm ist also eine moralische Norm: Dass man sich grüssen soll, ist beispielsweise lediglich eine sittliche resp. gesellschaftliche Norm ohne moralischen Gehalt. Im Unterschied dazu ist "du sollst nicht lügen" eine moralische Norm. Moralische Normen wollen die Frage "was soll ich tun?" begründet beantworten.


Ethik lässt sich unterteilen in:

  • Metaethik: Was sind moralische Normen und Urteile, gibt es moralische Wahrheit?

  • Normative Ethik: Was sollte als moralisch gültige Norm gesehen werden?

  • Angewandte Ethik: Auf bestimmte Anwendungsbereiche fokussierte normative Ethik, z.B. Wirtschafts-, Umwelt-, Medizin-, Politische Ethik.

Die normative Ethik prüft, ob sich moralische Normen und darauf basierende moralische Urteile rechtfertigen lassen. Hierfür erklärt (expliziert) sie wichtige Begriffe in diesen Normen und prüft ihre Begründung:

  • Begriffserklärung (Explikation): "Ein Recht haben, heisst, etwas von anderen einfordern zu dürfen."

  • Begründung: "Menschen haben ein Recht darauf, nicht gefoltert zu werden, weil sie ein Interesse daran haben, Schmerz und Leid zu vermeiden."

Moralische Normen sind daran erkennbar, dass man als Opfer ihrer Verletzung legitimiert ist, mit Vorwürfen oder Empörung zu reagieren. Umgekehrt ist es als Täter dieser Verletzung angemessen, Schuldgefühle zu empfinden und um Vergebung zu bitten. Dabei sind «legitimiert» und «angemessen» wichtig: Nicht jede Gefühlsregung wie Empörung oder Scham ist auf die Verletzung einer moralischen Norm zurückzuführen, das Auftreten solcher Gefühle gibt uns aber einen Hinweis, das möglicherweise ein moralisches Problem vorliegt.


Metaethik

Wenn normative Ethik das Nachdenken über die Moral ist, dann ist Metaethik das Nachdenken über das Nachdenken über die Moral. Innerhalb der Metaethik werden bei der Wahrheitsfrage - sind moralische Urteile wahrheitsfähig, und wenn ja, was macht sie wahr? - grundsätzlich vier Positionen unterschieden:

  • Realismus / Kognitivismus: Es gibt objektive, universell gültige moralische Tatsachen.

  • Relativismus: Moralische Tatsachen existieren nur in einem kulturellen / historischen Kontext, sodass moralische Urteile nur innerhalb dieses Kontexts als wahr oder falsch gelten können.

  • Anti-Realismus / Non-Kognitivismus: Moralische Urteile sind keine Aussagen und können daher nicht wahr oder falsch sein, sondern nur etwa Ausdruck unserer Gefühle.

  • Nihilismus / Irrtumstheorie: Es gibt keine moralischen Tatsachen, daher sind alle unsere moralischen Urteile zwar Aussagen, aber falsch.


Normative Ethik

Innerhalb der normativen Ethik werden vier klassische Theorien unterschieden, die in der angewandten Ethik oftmals herangezogen werden:

Wie alle normativen Theorien bestehen auch die obgenannten vier klassischen Theorien der normativen Ethik aus einer Systematik untereinander zusammenhängender Aussagen. Dieser Zusammenhang tritt zwischen Explikation und Begründung der Aussagen in Erscheinung, wobei in Moraltheorien titelgemäss moralische Aussagen das zentrale Element dieses systematischen Zusammenhangs bilden.



Aussagen

Aussagen lassen sich untereilen in:

  • Deontische Aussagen: Absteckung eines Handlungsrahmens mittels Vorschriften. ("Du sollst nicht lügen.")

  • Evaluative Aussagen: Bewertungen, etwa von Handlungen und Handlungsweisen: ("Lügen ist schlecht.")

  • Deskriptive Aussagen: Beschreibungen dessen, was der Fall ist. ("Das Neutrino ist ein Elementarteilchen.")

Deontische Aussagen beziehen sich in drei Ausprägungen darauf, wie man sich verhalten soll:

  • Erlaubnisse: Was darf man tun?

  • Gebote: Was muss man tun?

  • Verbote: Was darf man nicht tun?

Gelegentlich werden dieser Liste noch "supererogatorische" Handlungen hinzugefügt: Solcherlei Handlungen sind zwar nicht geboten, aber auch nicht bloss erlaubt. Ihre Ausführung verdient in besonderem Masse moralisches Lob und Anerkennung (u.a. heroische Handlungen, nette Gesten).


Nur gegenüber deontischen und evaluativen Aussagen, die beide als normative Aussagen bezeichnet werden, kann man sich falsch verhalten. Gegenüber einer deontischen Aussage kann man falsch handeln (z.B. lügen), gegenüber einer evaluativen Aussage kann man eine falsche Haltung einnehmen (z.B. eine Lüge als etwas Gutes betrachten).


Naturalistischer Fehlschluss

Ein naturalistischer Fehlschluss liegt vor, wenn aus rein beschreibenden (deskriptiven) Aussagen als Voraussetzungen eine normative Konklusion gezogen wird, d.h. aus ihnen allein ein Sollen oder eine Wertung abgeleitet wird. Beispiel für einen solchen Fehlschluss:


"In Saudi-Arabien tragen Frauen den Niqab."

"Je nach Auslegung des Islam ist das Tragen des Niqab erlaubt oder sogar geboten."

"Folglich sollte das Tragen des Niqab in Saudi-Arabien nicht verboten werden."


Die zwei Aussagen, aus denen die Schlussfolgerung gezogen wird, sind rein deskriptiv und daher nicht geeignet, einen wertenden Schluss zu ziehen. Gegenbeispiel:


"Alle Frauen in Saudi-Arabien, die den Niqab tragen, werden dazu gezwungen."

"Jemanden zum Tragen eines Kleidungsstücks zu zwingen ist moralisch falsch."

"Folglich ist es moralisch falsch, dass Frauen in Saudi Arabien zum Tragen des Niqab gezwungen werden."


Hier ist die zweite Aussage normativ, da sie eine evaluative Aussage in Form einer Wertung enthält ("falsch"). Infolgedessen ist die normative Schlussfolgerung zulässig.


Wissenschaftliches Arbeiten

Für eine wissenschaftliche Arbeit in der Ethik sollten zunächst die nicht-moralischen Tatsachen geklärt werden, z.B. Fakten aus der Virologie und Infektiologie für eine moralische Beurteilung staatlicher Massnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie. Alsdann sollten die normativ relevanten, d.h. die moralischen Tatsachen, eruiert werden. Wo nötig sind Begrifflichkeiten zu analysieren und klären.


Nun werden möglichst alle ethischen Fragestellungen in Bezug auf die zu untersuchenden moralischen Tatsachen aufgelistet und ein transparent gemachter Entscheid für eine zu bearbeitende Fragestellung gefällt. Für diese Bearbeitung wird zuvor gegebenenfalls noch die je eingenommene metaethische Position (Realismus usw.) offen gelegt. Dann werden die normativen Theorien (Utilitarismus usw.) und die damit verknüpften Werte und Positionen beigezogen. Dabei kann wahlweise nur eine normative Theorie verwendet werden (Monismus), oder aber es werden mehrere oder gar alle normativen Theorien eingesetzt (Pluralismus).


Der Beizug der Theorien und ihrer Werte und Positionen soll idealerweise mittels Literaturrecherche erfolgen, um sich einen Überblick über den Entwicklungsstand der diesbezüglichen Debatte zu verschaffen. Die Debatte resp. die hinsichtlich der bearbeiteten Fragestellung verfügbaren Positionen sind wertneutral zu beurteilen und vor diesem Hintergrund ist eine eigene Position zu entwickeln, erklären und begründen.


Bei der Literaturrecherche kann das Erstellen von Zusammenfassungen hilfreich sein, beispielsweise unter Anwendung der Sechs-Satz-Methode. In je einem Satz werden dabei beschrieben:

  • Hinführung (Inhaltszusammenfassung)

  • These (Hauptaussage)

  • Argumente (Begründung der Hauptaussage)

  • Einwände (Probleme der Hauptaussage)

  • Erwiderung (Entkräftung der Einwände gegen die Hauptaussage)

  • Schluss (Fazit / Konklusion)

Um eigene Thesen zu begründen, sind drei Begründungsrichtungen anwendbar:

  • Top-Down: Anwendung einer normativen Theorie (z.B. Utilitarismus) auf den Einzelfall.

  • Bottom-Up: Vergleich ähnlicher Einzelfälle und daraus Ableitung allgemeiner Prinzipien.

  • Mittlere Prinzipien: Formulierung moralischer Normen, sogenannter "mittlerer Prinzipien", für eine Gruppe ähnlicher Einzelfälle. Die mittleren Prinzipien sollten intuitiv korrekt erscheinen und als gültig begründbar sein, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von allgemeinen Prinzipien.

 

Zu diesem Beitrag: Yours truly nahm kürzlich einen Studiengang in angewandter Ethik in Angriff (Info). Das darin Gelernte wird fortan in Beiträgen zusammengefasst. Dies für den Fall, dass sich eventuell sonst noch jemand dafür interessiert - und zugegebenermassen auch aus schierem Eigennutz. Vorliegende erste Zusammenfassung über die Vorlesungen 1 bis 4 hat freundlicherweise der Studien- und Geschäftsleiter, Dr. Sebastian Muders, gegengelesen und korrigiert. Herzlichen Dank, Sebastian!

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